Mittwoch, 16. September 2009
SANTIAGO DE COMPOSTELA
Hola!
Ich bin heute um 12.10 Uhr nassgeschwitzt und nach einer Tour in stroemendem Regen (der erste Regen uebrigens) in die Kathedrale von Santiago eingetreten. Die Pilgermesse war bereits angefangen, ich kam gerade zu dem Zeitpunkt, als die Pilger auf deutsch begruesst wurden. Und ueberall sah ich Pilger, die ich auf meiner langen Tour kennengelernt hatte. Renate aus Osnabrück kam sogar aus ihrer Bank heraus und umarmte mich. Das fand ich so toll!! Sie hatte mir auch vor zwei Tagen ihre Trillerpfeife geschenkt, damit ich mich, sollte ich mich wieder verlaufen, lautstark melden kann,
Eigentlich wollte ich nur bis Monte do Gozo, aber 8 km vor Santiago bekam ich eine SMS von Nicole, dass sie und meine zwei Salzburger um 12.00 Uhr zur Messe gehen und ich soll man sehen, dass ich heute auch noch komme, damit wir heute abend zusammen essen gehen koennen. Ich habe dann aber meine Beine in die Hand genommen!!! 10 Minuten, nachdem die Messe angefangen hatte, trat ich dann ein. Es war ein sehr bewegender Moment. Als die Nonne sang, blieb wohl kein Auge trocken. Und als dann der Botafumeiro, der Weihrauchkessel, heute auch noch geschwungen wurde, war alles perfekt.
Danach haben sich alle Bekannten begruesst und Nicole, Loretta und Richie hatten fuer mich sogar ein Zimmer in ihrem Hostal nahe der Kathedrale. Nun sind wir wieder zusammen und freuen uns riesig.
Dann habe ich mir meine Compostela aus dem Pilgerbuero abgeholt. Nach dem katholischen Glauben bin ich jetzt suendenfrei (!!??!!) und koennte bei meiner naechsten Bewerbung in Spanien bevorzugt werden(grins! schmunzel!). Und als ich aus dem Pilgerbuero trat, hatte der Regen aufgehoert und es schien die Sonne.
Also tagelang Regen, nee, das habe ich heute gemerkt, haette ich nicht wirklich haben moegen.
Aber ich moechte nicht versaeumen, von meinem Dilemma von gestern zu berichten:
Ich wurde naemlich tatsaechlich in den letzten Kilometern vor Santiago noch wuschig!!!
Ich hatte doch in Santa Irene die Herberge vorgebucht. Ich ging also brav auch den Pfeilen nach, lt. meinem Outdoorfuehrer sollte eine Strassenunterfuehrung kommen und dann gleich das Dorf. Die Unterfuehrung kam ja auch, auch das Dorf, nur nicht die Herberge! Ich fragte einen aelteren Einwohner, der sagte mir, dass hier Rua sei und die Herberge in Santa Irene, 3 km zurueck. Ich wollts fast nicht glauben. Aber zurueck? Neee! Ich ging daraufhin dann 1 m weiter bis Petrouzo. Da die Herberge dort als versifft und eklig und auch laut beschrieben wurde, nahm ich mir fuer 30 Euro ein Zimmer in einer Pension (zum Vergleich: Herbergen 3 bis 7 Euro).
Da sass ich nun um 14.00 Uhr frisch geduscht auf meinem bluetenweissen Bettlaken und guckte Loecher in die Wand. - Ort scheisse - Supermercado bis 17.00 Uhr geschlossen.
Aber ich kriegte den Tag dann noch irgendwie rum.
Nee, nee, das ist nicht das Caminofeeling wie in den Herbergen.
Es stimmt tatsaechlich: 50 % ist der Weg selbst, die anderen 50 % sind die Herbergen und die vielen Mitpilger (und leider auch die winzigen ungebetenen Mitschläfer), mit denen man dort zusammen ist.

Da koennen in den Herbergen von mir aus lieber
a) die Spanier und Franzosen laut palavern bis in die Puppen,
b) die Schnarcher ihr ganzes Programm abschnarchen,
c) die Herren der Schoepfung nach Herzenslust in den Stockbetten rumpupsen (das machen lautstark tatsaechlich nur die Maenner hier, nicht die Frauen),
d) die Tuetenraschler von mir aus schon ab 5.00 Uhr mit den Tueten rascheln und
e) die eine oder andere Bettwanze und so manch vorwitziger Floh mal kraeftig zubeissen.
ABER DANN IST MAN WENIGSTEN MIT DEN ANDEREN PILGERN ZUSAMMEN!!
Ich habe jetzt mein eigentliches Ziel, Santiago de Compostela, erreicht.
Ich habe mich gefragt, was mir der Weg gebracht hat.
Also, irgendwelche unverarbeiteten Leichen habe ich wohl nicht im Keller, denn quaelende Gedanken kamen bei mir gar nicht auf. Ach doch, einmal fiel mir ein, dass es mir fuerchterlich leid tut, dass ich zu meiner Jugendgruppen- und Pfadfinderleiterin, Frl. Schleef, immer so frech war!!!!!
Ansonsten hatte ich so viele schoene Gedanken und habe den Weg einfach nur genossen. Ich bin so dankbar, dass ich "nur" Quaddeln und weder Blasen noch irgendwelche Knochenprobleme hatte.
Morgen werde ich hier noch ausruhen und am Freitag werde ich dann nach Finisterre mit dem Bus fahren und dort nach alter Tradition ein Kleidungsstueck (mein T-Shirt wirds sein) verbrennen.

Jetzt fehlt mir vom Camino ja noch der erste Teil von St. Jean Pied de Port bis Burgos. Den moechte ich in zwei oder drei Jahren machen, wenn ich gesund bleibe (Werner, ist das o.k.?) Im naechsten Jahr ist das heilige Jahr und dann ist halb Spanien auf dem Camino unterwegs. Dann ist es voll und es gibt ein massives Unterkunftsproblem.

Das war so das Groebste hier aus Santiago. Heute abend um 19.30 Uhr werden wir uns mit allen uns bekannten Pilgern vor der Kathedrale treffen und unsere Ankunft feiern.
Und morgen kann ich so richtig schoen ausschlafen und werde mir Santiago so ganz in Ruhe anschauen. Es gibt hier unglaublich viel zu sehen. An Jakobus Grab war ich heute schon (wenn er da wirklich drinliegt!).


Und noch etwas zum Schluss:
Ike: Werner sagte mir, dass du auch mitliest:
Ich wuensche dir und den Stammtischmaedels einen ganz tollen Stammtischausflug. Gruesse sie alle bitte ganz herzlich von mir. Im naechsten Jahr bin ich wieder dabei. Und koenntest du von mir bitte eine Runde ausgeben? Ich werde dir das Geld dann zuhause geben.

Buen Camino aus Santiago
Elke

... comment